Im Inflationsjahr 1923 gründeten 15 Öhringer Laienmusiker auf Initiative von Herrn Christl Dohl, selbst aktiver Musiker, den Orchesterverein Öhringen. Den Vereinsvorsitz übernahm der Öhringer Präzeptor Christian Schöck.

Erster musikalischer Leiter war der damalige Stadtkapellmeister Lange, unter dessen Stabführung das Orchester am 24.März 1924 sein erstes eigenes Konzert gab. Die Orchesterproben fanden im Wartesaal des Bahnhofs Öhringen statt.

Im Oktober 1924 begleitete das Orchester ein Konzert des Liederkranzes und zu Weihnachten trat es erstmalig bei einem liturgischen Gottesdienst in der Stiftskirche auf. Die hiermit erfolgte musikalische Verbindung zu Gesangvereinen und dem Kirchenchor, der späteren Stiftskantorei, besteht heute noch.

Ende 1924 wurde Christl Dohl zum Dirigenten bestellt; dieses Amt führte er – mit kriegsbedingter Unterbrechung im Jahr 1942 und von der amerikanischen Militärregierung bis Mai 1946 verhängter Sperre – bis zu seinem Tod im April 1964 mit großem Engagement und damit auch Erfolg .

Schon 1926 wagte das noch junge Orchester sein erstes Sinfoniekonzert. Am Totensonntag des Jahres 1927 führten das Orchester, der Kirchenchor und der Männergesangverein Öhringen das Oratorium „Judas Makkabäus“ von G.F.Händel auf, das auch vom Rundfunk ausgesendet wurde.

Ab 1928 gab das Orchester sommerliche Konzerte im Palaisgarten und später vor dem Hofgarten-Theater.

Die politischen Veränderungen in den dreißiger Jahren gefährdeten das Orchester weder in seiner Substanz noch in seiner Zielsetzung.

So gedachte das Orchester zusammen mit dem Sängerbund im April 1935 der Geburtstage von J.S.Bach und G.F.Händel unter der Leitung  von Ernst Seeger, dem Dirigenten des Sängerbundes. Dieser qualifizierte Musiker und Pädagoge gehörte von Anbeginn des Orchestervereins zu den höchst engagierten Mitgliedern. Am Harmonium ersetzte er in den ersten Konzerten die fehlenden Bläserstimmen, später spielte er Bratsche. Seine enge Verbundenheit mit dem Orchester – er war in der Nachkriegszeit sogar kurzfristig dessen musikalischer Leiter – erlaubte die Wiedergabe von Oratorien und Kirchenmusik.

In einem Bericht vom Januar 1938 zeichnet der „Schwäbische Merkur“ das Bild des Orchestervereins Öhringen wie folgt:“…Der Konzertmeister ist ein Finanzbeamter, am Kontrabaß steht ein Studienrat, die Pauken bedient ein Schreinermeister, die Flöte spielt ein Pfarrer. Dazu kommen Lehrer, Bankbeamte und ältere Gymnasiasten….Sämtliche Streichinstrumente kann der Orchesterverein mit eigenen Kräften besetzen. Fehlende Bläser werden bei den Aufführungen von auswärts herangezogen…“

Ab 1948 entwickelte sich das Orchester, jetzt wieder unter der musikalischen Leitung von Christl Dohl und unter dem Vereinsvorstand Stadtpfarrer Esenwein, zu einem lebendigen Kulturträger im gesellschaftlichen Leben der Stadt Öhringen. Es wurde zu vielen städtischen Festveranstaltungen gebeten, so zur Wiedereröffnung des Blauen Saales im Öhringer Schloß, zum 500-jährigen Jubiläum der Stiftskirche, zum Festumzug in historischen Kostümen anläßlich der 750-Jahrfeier der Stadt Öhringen im Jahr 2003.

Nach dem Tod von Christl Dohl im April 1964 übernahm der Öhringer Diplommusiker und Oboist Hans Flitsch die Leitung des Orchesters. Mit großem Erfolg setzte er die Reihe guter Konzerte fort. Höhepunkt war die Aufführung der 5.Sinfonie von L.Beethoven. Sein freundschaftlichen Beziehungen zu anderen musiktreibenden Vereinen in Öhringen gestattete die Aufführung anspruchsvoller größerer Musikwerke für Chor und Orchester. Große Beachtung fanden so das Opern- und Operettenkonzert anläßlich der Eröffnung der Stadthalle (heute Kultura) Öhringen mit dem Sängerbund und dem Urbanus-Verein

und die vielen gemeinsamen Hofkonzerte mit den Öhringer Handharmonikern.

Im Jahr 1969 trat Stadtpfarrer Esenwein nach 43-jähriger aktiver Mitgliedschaft im Orchester als Flötist und nach 23-jähriger Verwaltung des Orchestervereins als Vorstand zurück. Der Orchesterverein hatte das Glück, Herrn Gerhard Wieser, Vorstand in der Volksbank Öhringen und  leidenschaftlicher Geiger, als Vorsitzenden gewinnen zu können. Mit außerordentlichem Geschick füllte er über 30 Jahre lang sein Amt zum Wohl des Orchesters aus.

Im Herbst 1977 mußte der Dirigent Hans Flitsch die Führung des Orchesters krankheitshalber aufgeben. Auf seine Stelle wählte das Orchester dessen Ehefrau Jutta Flitsch. Als langjähriges aktives Mitglied des Orchesters und als Solobratscherin im Württembergischen Kammerorchester Heilbronn tätige Musikerin brachte sie die besten Voraussetzungen für die Leitung des Orchesters mit. Dank ihrer guten Verbindungen zur überregionalen Konzertszene konnte sie hervorragende Solisten engagieren. So spielte der jetzt weltweit bekannte Cellist Daniel Müller-Schott am Beginn seiner Karriere mit dem Öhringer Orchester das Cellokonzert D-Dur von J.Haydn.

Am 12.9.1993 wirkte das Orchester beim Konzert des Sängerbundes Öhringen zusammen mit der Singgemeinschaft der Partnerstadt Großenhain anläßlich der „Heimattage Baden-Württemberg“ in der Stiftskirche Öhringen mit. Frau Flitsch hatte den Orchesterpart des Werkes von A.Romberg „Das Lied von der Glocke“ einstudiert;  als Konzertmeisterin nahm sie selbst als Geigerin teil.

9 Tage nach dem Konzert starb sie.

Zum Nachfolger am Dirigentenpult bestellte das Orchester Herrn Johannes Leonhard, Geigenlehrer an der Städtischen Musikschule Öhringen. Er hat an der Hochschule für Musik Stuttgart Violine und Dirigat studiert und hatte bei seiner Wahl bereits praktische Erfahrung als Leiter zweier Orchester in Württemberg.

Im Mai 1998 veranstaltete das Orchester ein glänzendes Konzert zur Feier seines 75-jährigen Bestehens.

Es kann auf eine reiche und anspruchsvolle Konzerttätigkeit zurückblicken: auf reine Orchesterkonzerte, Konzerte mit herausragenden Solisten und Aufführungen mit Gesangsgruppen.

Insbesondere wirkte das Orchester an glanzvollen Aufführungen bedeutender Kirchenmusik durch die Stiftskantorei Öhringen mit. Unter Leitung von Stiftskantor Siegmund Schmidt erklangen unter anderem „Die Schöpfung“ von J.Haydn, „Das Requiem“ und die „Krönungsmesse“ von W.A.Mozart, die C-Dur Messe von L. Beethoven und das „Deutsche Reqiem“  von J.Brahms. Der derzeitige Leiter der Stiftskantorei Jürgen Breidenbach setzt die Reihe erfolgreich fort: Aufgeführt wurden u.a. das Weihnachtsoratorium und das „Magnificat“ von J.S.Bach, das „Gloria“ von A.Vivaldi und das „Oratorio de Noel“ von C.Saint-Saens.

Das Orchester pflegt seit 1999 freundschaftliche Beziehungen zu japanischen Musikern, denen es anläßlich des jährlich vom Japanischen Amateurorchester-Verband veranstalteten Musikfestes begegnete. Gemeinsam wurden Konzerte mit dem Mount Fuji-Orchester, Gotemba/Japan veranstaltet, sei es dort oder in Öhringen.

Der damalige Dirigent Johannes Leonhard wurde zum Ehrenmitglied des japanischen Orchesters ernannt und leitete dessen Konzert im Herbst 2009.

Im Jahr 2006 fand in Öhringen eine großes Sinfoniekonzert statt. Solist des 3.Violinkonzertes von C.Saint-Saens war der 19-jährige Yukihiro Nishimoto aus Sapporo, der inzwischen nach Violinstudium in Tokio Stipendiat der Universität Manchester ist.

Im Mai 2010 übernahm Prof. Dr. med. habil. Dr. phil. Uwe Reinhardt die Leitung des Orchestervereins. Er ist als Chefarzt und Ärztlicher Direktor des Hohenloher Krankenhauses tätig; studierte Orchesterdirigieren und Klavier an der Hochschule für Musik in Dresden, wo er nach seinem künstlerischen Staatsexamen ein Institut für Musikmedizin aufbaute. Seine wissenschaftlichen Spezialgebiete liegen im Bereich der Hämatologie, Onkologie und Gastroenterologie. Musikalisch ist er als Dirigent, Pianist und Komponist gefragt. Seit April 2012 übt er eine Gastprofessur an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart aus.

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