Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
Ouvertüre zur Oper Così fan tutte KV 588
Die jungen Herren, Ferrando und Guglielmo, sind empört. Während sie überzeugt die Treue ihrer Verlobten, der Schwestern Dorabella und Fiordiligi, preisen, hält der zynische Don Alfonso dagegen. Jeder wisse, dass es keine treuen Frauen gäbe, auch ihre Geliebten könnten untreu werden und genauso gut den jeweils anderen der beiden Freunde heiraten! Er schlägt eine Wette vor: 100 Zechinen für ihn, den welterfahrenen Mann, wenn es ihm innerhalb eines Tages gelingt, seinen Standpunkt zu beweisen. Die Freunde willigen ein und versichern, seinen Anweisungen zu folgen und gegenüber ihren Verlobten Stillschweigen zu bewahren. Don Alfonso heuert Despina an, die lebenspraktisch muntere, gerissene Dienerin der beiden Schwestern (Schon ein Mädchen von 15 Jahren muss die große Kunst verstehen, mit den Männern umzugehen…). Bis heute beschäftigt Cosi fan tutte die Musikwissenschaft. Die Meinungen bewegen sich zwischen empörter Kritik ob des unmoralischen Sujets bis zur grenzenlosen Bewunderung der musikalischen Umsetzung eines genialen Librettos. „Von der Musik ist, glaub ich, alles gesagt, daß sie von Mozart ist.“ schrieb der Wiener Korrespondent des Weimarer Journal des Luxus und der Moden im März 1790. Zeitlos und für alle gültig bleibt allein der Schluss: „Fortnato l’uom, che prende ogni cosa pel buon verso!“ Also: Glücklich der Mensch, der jedes Ding von der guten Seite nimmt.
Die Ouvertüre beginnt nach französischer Art mit einer langsamen Einleitung, die in den Bässen der abschließenden Takte das namensgebende Motiv der Oper vorstellt. Dann flattert und flirrt ein Presto los, das man kaum aufzufassen vermag, so schnell glitzert es vorüber, ein eigentliches Thema schält sich nicht heraus. Die Wirkung liegt in der zierlichen Instrumentation und dem rasenden Zeitmaß. Erst kurz vor Schluss erscheint noch einmal die nachdenkliche Tonfolge, um sich ins Gedächtnis einzubrennen: Co-si fan tut-te!
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21
I. Adagio molto – Allegro con brio – II. Andante cantabile con moto – III. Menuetto. Allegro molto e vivace IV. Adagio – Allegro molto e vivace
Beethovens Name ist am stärksten mit dem Begriff der Sinfonik verbunden. Was früher nur ein Schaffenszweig unter anderen war, wird bei ihm zur zentralen Gattung, gleichsam zur Idee der Musik. llerdings wagt er sich erst in seinem dreißigsten Lebensjahr an diese musikalische Ausdrucksform heran, zunächst scheinbar ohne besondere Ambitionen, um sich dann mit der Eroica, seiner 3. Sinfonie, jeder Konkurrenz und jedem Vergleich zu entziehen. Die heiter beschwingte, schwärmerische Stimmung der 1. Sinfonie dürfte eng mit Beethovens Begegnung mit den zwei jungen ungarischen Schwestern Therese und Josephine Brunsvik, zusammenzuhängen, von denen ihn namentlich die jüngere sofort gefangen nahm. So erscheint der musikalische Stil dieser Sinfonie wohl vor allem durch die Adressatin bestimmt. Beethoven verlebte die wohl unbeschwertesten Wochen seines beschwerlichen Lebens, bis die „seligen Augenblicke“ ein jähes Ende fanden durch die Verheiratung Josephins mit einem dreißig Jahre älteren Grafen. Trotz ihres scheinbar traditionellen Habitus wurde die Erste von einigen Kritikern schon nach der Uraufführung am 2. April 1800 als Neubeginn der Sinfonik angesehen. Bereits der Anfang deutet dies an: In völlig ungewohnter Weise beginnt Beethoven die Sinfonie mit einem langem Dominantseptakkord, also mit einer Dissonanz, die sich nach der Subdominante der Grundtonart auflöst, um diese erst im 6. Takt des Stückes zu erreichen. Dafür strahlt das Allegro con brio des ersten Satzes in klarem C-Dur, durchpulst von einem feurigen Rhythmus, der in der Durchführung eine konflikthafte Zuspitzung erfährt. Das Thema des zweiten Satzes, Andante cantabile, klingt wie ein rheinisches Volkslied, wobei Beethoven die Einzigartigkeit dieses lyrischen Stückes durch eine raffinierte Verbindung mit dem Menuett erreicht. Der Dreiachteltakt mit seinem charakteristisch angebundenen Auftakt unterstreicht die Tanzschritte, wobei der polyphone Stimmeneinsatz den wechselnden Eintritt der Paare markiert. In der Durchführung scheint sich dieser Auftakt bis ins Bedrohliche zu verselbständigen, bevor die Schrittfolge in elegant eingeschlungener Figurierung zu ihrer alten Paarigkeit zurückfindet. Umgekehrt ist ausgerechnet dem als Menuetto bezeichneten dritten Satz kaum mehr etwas von einem Tanz anzumerken. Dieses Stück ist zweifelsohne Beethovens erstes sinfonisches Scherzo: impulsiv, feurig, neue tonartliche und rhythmische Ausblicke eröffnend. Witzig beginnt das Finale mit einem fünftaktigen Adagio, dessen zögernde Motivik vom Allegro molto e vivace mit Haydnschem Schwung aufgegriffen, aber bald in Beethovenscher Unbekümmertheit zu heftigsten Auseinandersetzungen gesteigert wird. Beethovens Neigung zur fugato-artigen Verdichtung der einzelnen Orchesterstimmen zeigt sich auch in diesem Satz, der mit strahlenden C-Dur Fanfaren schließt.
Johannes Brahms (1833 – 1897)
Violinkonzert D-Dur op. 77
I. Allegro non troppo – II. Adagio – III. Allegro giocoso, ma non troppo vivace
Johannes Brahms komponiert bereits als 15jähriger beachtlich und tritt erfolgreich als Pianist auf. Der zwanzigjährige Brahms geht mit dem ungarischen Geiger Eduard Remenyi auf Wanderschaft. Wie Handwerksburschen ziehen die beiden durch Norddeutschland und spielen in Sälen, Kirchen und Wirtshäusern. Am 30. September 1853 klopft Brahms an die Tür von Robert Schumann in Düsseldorf; die folgende Begegnung wird zu einer Sternstunde der Musikgeschichte; Schumann und seine Frau, Clara Wieck, sind überwältigt von den Manuskripten, die Brahms aus seinem Ranzen holt. Tief überzeugt greift der schon kranke Schumann noch einmal zur Feder und so lesen Deutschlands musikinteressierte Kreise bereits im Oktoberheft der Neuen Zeitschrift für Musik die prophetischen Worte: „Ich dachte, es wurde und musste einmal plötzlich einer erscheinen, der den höchsten Ausdruck der Zeit in idealer Weise auszusprechen berufen wäre … Und er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege die Grazien und Helden Wache hielten … „.
Brahms Violinkonzert entsteht auf der Höhe seines Ruhmes, 45jährig komponiert er es fast gleichzeitig mit seiner 2. Sinfonie in Pörtschach am Wörthersee in Kärnten. Für seine Zeitgenossen unterschied sich dieses Konzert so sehr von den üblichen, dass ein Kritiker nach der Uraufführung am Neujahrstag 1879 in Leipzig schrieb, es sei kein Konzert, sondern eine Sinfonie mit obligater Geige. Der berühmte Violinist Pablo de Sarasate lehnte die Einstudierung ab, er denke nicht daran, mit der Geige in der Hand zuzuhören, wie die Oboe die einzige Melodie des Stückes blase, soll er zum Adagio gesagt haben. Konzert am ehesten mit einem Wie in einem guten Schauspiel bedingen der Part des Titelhelden und die ihn umgebende Geschichte einander auf kunstvollste Weise. Typisch für das Konzert ist sein weitgreifendes Melos, vor allem im breit angelegten ersten Satz Allegro non troppo. Die tiefen Streicher stimmen ein schreitendes, aus Dreiklangsbrechungen bestehendes erstes Thema an, das durch eine sehnsuchtsvolle Melodie der Oboen ergänzt wird. Das zweite Thema ist ein ausdrucksvoller, typisch Brahmsscher Gesang, das dritte ein stark akzentuiertes Streicherthema. Es gibt dem Solisten Gelegenheit zu kraftvoller Doppelgrifftechnik, die für viele Stellen des Werks charakteristisch ist. Außerordentlich eindrucksvoll entwickelt sich der gleichsam improvisiert wirkende Einsatz der Solovioline über einem mächtigen Orgelpunkt der Hörner. Wie der Gesang der Violine dann, von den Holzbläsern sanft geleitet, zum Hauptthema gelangt, lässt geradezu einzigartige Empfindungstiefe und Ausgewogenheit erfahren. Als wichtiges Gestaltungsmittel dient das innige Umspielen der Melodielinien oder deren beredtes Fortspinnen, aus dem sich neue wohltönende und tänzerische Weisen ergeben. Der zweite Satz Adagio ist wohl einer der schönsten langsamen Sätze des Komponisten. Der lang ausgesponnene Gesang der Oboe wird schließlich von der zart ornamentierenden Solovioline abgelöst. Deren Figurationen werden immer dichter, die harmonischen Wendungen immer kühner sie fuhren in leidenschaftlich vorgetragene edle Kantilenen, um zuletzt wieder in eine ruhige, elegische, erneut von der Oboe geführte Klangrede zu münden, die weniger abschließend wirkt, sondern vielmehr dem Hörer einen für Brahms so typischen „Ausblick“ gewährt. Der spritzige Schlusssatz Allegro giocoso, ma non troppo vivace wird durch höchste solistische Virtuosität glanzvoll belebt. Bald in Oktaven aufwärts stürmend, bald in rasenden Läufen abwärts gesteuert, findet er endlich ein lyrisch zartes Thema, dass sich zum Mittelpunkt des Satzes entwickelt und dabei vielfältig abgewandelt wird. Nach einer atemberaubenden Stretta schließt das Stück nach kurzem Retardieren in einer ganz unverwechselbaren Weise. Die überzeugende Geschlossenheit macht es zu einem Musterbeispiel seiner Gattung. Sehnsucht und Trost strömen aus diesem Konzert, Lebensbejahung und Leidenschaft. Der Elan des Finales zeigt die ungebrochene Aktivität und den starken Optimismus, die Brahms in dieser Lebensphase beseelten.